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Was Schwelms Straßen noch wert sind

16.09.2015, Quelle: WAZ.de

Schwelm. Wenn dieser Tage Menschen in orange-farbenen Warnwesten durch die Straßen ziehen und die Wege und Fahrbahnen fotografieren, sind das keinesfalls die Fußtruppen von Google-Streetview. Es sind Mitarbeiter der Firma GMO, die im Auftrag der Stadt Schwelm Infrastruktur neu bewerten. Nicht nur Unternehmen, auch Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, regelmäßig Inventur zu machen.

Mit der Neubewertung ihres Infrastrukturvermögens kommt die Stadt Schwelm dem zwingenden Erfordernis nach, was sich im Jahr 2008 durch die Umstellung vom kameralistischen Haushaltsprinzip auf die doppelte Buchführung (Doppik) ergab. Vereinfacht gesprochen wird die Stadt Schwelm seitdem buchhalterisch wie ein Unternehmen geführt. Die Stadtverwaltung unterliegt damit Spielregeln, wie sie auch Kaufleute kennen. Eine davon schreibt vor, dass die Kommune regelmäßig ihr Infrastrukturvermögen neu bewerten muss. Dies wird nun erstmals nach der Eröffnungsbilanz im Jahr 2008 geschehen.

Alle bebauten Grundstücke und unbeweglichen Dinge

Neu zu bewerten sind alle unbeweglichen Dinge wie Straßen, Bordsteine, Wege, Plätze und Brücken sowie alle bebauten städtischen Grundstücke mitsamt der auf ihnen stehenden Gebäude. Aktuell sind das inklusive Haus Martfeld und Jugendzentrum noch 45 Gebäude, darunter alle Schulen, Kindergärten und Verwaltungsgebäude, aber auch mehrere Wohnhäuser im städtischen Besitz.

Doch wie ermittelt man eigentlich den Wert einer Straße? Vom Prinzip her sei das ganz einfach, erklärte die Firma GMO aus Düsseldorf. Der Wert einer Straße, eines Platzes oder einer Brücke ergibt sich durch die Herstellungskosten minus Abschreibung und unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Lebensdauer.

Klingt einfach, ist es aber nicht, weil es in Schwelm allein rund 100 Kilometer Straßen und Wege gibt. GMO, schon mit der Bewertung des Infrastrukturvermögens zur Eröffnungsbilanz im Jahr 2008 beauftragt, musste damals tatsächlich jede Straße einzeln in die Erhebung aufnehmen. Die Fahrbahnen wurden nicht nur fotografiert und kartiert, sondern mussten auch hinsichtlich ihres Zustandes bewertet werden. Eine neue Straße kann von Schlaglöchern übersät sein, während eine alte noch sehr gut erhalten ist.

Ähnlich sieht es bei den städtischen Grundstücken und Gebäuden aus. Auch hier setzt sich der Wert aus Baukosten minus Abschreibungen und unter Berücksichtigung zwischenzeitlich erfolgter wertsteigernder Sanierungen und Modernisierungen zusammen. Der Wert eines Grundstücks orientiert sich – grob gesagt – an den Bodenrichtwerten.

Schwelms Infrastrukturvermögen summierte sich Ende 2014 bei Straßen, Plätzen und Brücken auf 18,6 Millionen Euro und bei den bebauten Grundstücken und Gebäuden auf 57,9 Millionen Euro. Aber entspricht das auch dem tatsächlichen Wert? Eher nicht, vermutet Kämmerer Ralf Schweinsberg und führt das Beispiel Straßen an. Weil Schwelm in den vergangenen Jahren wenig in den Erhalt investieren konnte, müsste der Verschleiß eigentlich deutlich größer sein, als es die Prognose vorgibt, die immer von einer jährlichen Aufwendung seitens der Stadt für den Zustandserhalt ausgeht. Genau dies gelte es herauszufinden, so Schweinsberg. „Da wir in den vergangenen Jahren nicht in der Lage waren, in die Substanz zu investieren, werden die Werte niedriger sein als 2008“, ist er überzeugt. Der Ausbau der Ehrenberger Straße, Kantstraße und Saarstraße seien nur punktuelle Verbesserungen, denen viele Straßen gegenüberstünden, deren Zustand sich verschlechtert habe.

Sollte Schweinsberg mit seiner Vermutung richtig liegen, hätte dies durchaus Auswirkungen auf den Schwelmer Haushalt. Geringeres Vermögen bei der Infrastruktur bedeutet geringere jährliche Abschreibungen im Haushalt, und dies entlaste die Ertragsseite, erklärte der Kämmerer und schob nach: „Das ist Hebesatz-relevant“. Über Größenordnungen möchte Schweinsberg nicht spekulieren. Die Firma GMO wird bis Ende dieser Woche mit der Erfassung der Straßendaten fertig sein, die in den darauffolgenden Wochen dann ausgewertet werden. Damit die Mitarbeiter nicht jeden Straßenmeter ablaufen müssen, stellt die Stadt Informationen über erfolgte Sanierungen und Erneuerungen seit 2008 zur Verfügung, wie Ursula Müller vom Fachbereich Finanzen erklärte. Belastbare Zahlen will die Stadtverwaltung dann bis Ende des Jahres nennen können, so das Ziel laut Kämmerer.

Da GMO alle jetzt erfassten Daten zur Verfügung stellen wird, kann die Stadt die nächste Inventur durch ihre eigenen Kräfte durchführen. Das wäre dann in etwa fünf Jahren der Fall.


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